Wertschätzung von Biodiversität

Zur Modernisierung der Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland


Glossar

Gemeinsames Begriffsverständnis – Naturkapital-Ökosystemleistungen-Biodiversität-Accounting

Im Zusammenhang mit dem integrativen Ökosystemleistungs-Konzept ist es wichtig, ein von Ökonomie, Ökologie und Soziologie, von Wissenschaftlern, Praktikern und Politikern gleichermaßen verstandenes und akzeptiertes Begriffssystem zu schaffen. Im Folgenden gehen wir (nur) auf die Schlüsselbegriffe Ressourcen, Naturkapital (NC), Ökosystemleistungen (ÖSL), Biodiversität (BD) und Accounting ein. Natürliche Ressourcen, Biodiversität und Ökosysteme bilden im ökonomischen Sinne das "Naturkapital" und ihre Leistungen, wie Wasser- und Luftreinhaltung, Kohlenstoffspeicherung, Biomasseproduktion oder Bestäubung, lassen sich als "Dividende" auffassen, die der Gesellschaft zufließt, bei Erhaltung des natürlichen Kapitalstocks auch künftigen Generationen.


Accounting

Die Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR) bilden die deutsche Umsetzung des Systems umweltökonomischer Gesamtrechnungen der Vereinten Nationen (SEEA: System of Environment Economic Accounting). Unter Accounting kann also im Deutschen ein Rechen- bzw. Kontensystem verstanden werden, eine Zusammenstellung von Indikatoren und Daten. Die Wahl der Indikatoren und Methoden kann sich zwischen "national accounts" (nationale Berichterstattung) und "corporate accounts" (Unternehmensbilanzierung) unterscheiden.

Die von Menschen genutzten ÖSL werden im Accounting als jährliche Flussgrößen ("Flows") verstanden und können ebenfalls mehr oder weniger gut auch monetär bewertet werden. Die Einbeziehung von Naturkapital ("Stocks") und ÖSL ("Flows") in die UGR in Deutschland sollte bei der Kontensystematik, den begrifflichen Abgrenzungen und diskutierten Erfassungs- und Bewertungsmethoden nach Möglichkeit dem SEEA-System folgen – hier in Form der experimentellen ökologisch-ökonomischen Bilanzierung von ÖSL (UN 2020).

Aber unbestritten kann ein Ökosystem-Accounting bzw. eine Berichterstattung zu Werten der Natur nicht alle Aspekte abbilden, denn ÖSL können die Qualitäten von Natur und Landschaft, beispielsweise kulturhistorische Besonderheiten, nicht vollumfänglich erfassen. Andererseits sind die Potenziale, die existieren, um durch Investitionen in Naturkapital zusätzliche ÖSL zu generieren, eine wichtige Information im Rahmen eines Ökosystem-Assessments.


Biodiversität

Biodiversität – die Vielfalt von Arten, Ökosystemen oder Lebensräumen sowie die genetische Vielfalt – stellt eine wichtige Grundlage für Ökosystemleistungen dar. IÖR/BfN arbeiten bspw. derzeit an einem Accounting-Ansatz zur ÖSL "Appreciation of ecosystems and species services" (Wertschätzung von Ökosystemen und Arten / Existenzwerte). In der deutschen Rechts- und Planungspraxis ist insbesondere der Biotopbegriff maßgeblich (§ 30 BNatSchG "Gesetzlich geschützte Biotope"), teils werden die Begriffe Ökosystem, Biotop und Habitat aber auch synonym verwendet. ...

  Ausführliches Begriffsverständnis Biodiversität im ÖSL-Konzept


Landnutzung

Die Inanspruchnahme bzw. Inwertsetzung der Leistungen manifestiert sich insbesondere in der Art und Intensität der Landnutzung (LN) und wirkt auf die Strukturen und Prozesse der Ökosysteme zurück, was wiederum deren potenzielle Leistungsfähigkeit beeinflusst. Dieses komplexe Wechselspiel soll in seinen Ursachen, Wirkungen und Folgen sichtbar gemacht werden. ...

  Ausführliches Begriffsverständnis Landnutzung im ÖSL-Konzept


Naturkapital

Als Metapher für biotische und abiotische Bestandteile der Erde wird der Begriff "Naturkapital" gebraucht. Im weiteren Sinne werden Ökosysteme und deren Leistungen, Biodiversität und natürliche Ressourcen darin eingeschlossen (BESWS 2010). Es soll die Verbindung zwischen Natur und Wirtschaft bzw. die Schaffung von Werten für die menschliche Gesellschaft aufgrund des Zustandes und der Prozesse der Natur zum Ausdruck gebracht werden. Wie das Sachkapital erbringt das Naturkapital als Bestandsgröße Leistungen für Menschen und Wirtschaft (Common & Stagl 2005). ÖSL können als Bestandteile des Naturkapitals angesehen werden. Letzteres kann teilweise durch Arbeitsleistung ersetzt werden (z. B. bei der Wasserreinigung), was mit ökonomischem Aufwand verbunden ist. Im Deutschen wird auch der Begriff Naturvermögen anstelle des angelsächsischen Terminus Naturkapital verwendet – insbesondere im Zusammenhang mit der offiziellen Statistik. Diese physischen Bestände ("Stocks") können auch monetär bewertet werden. Eine Schwierigkeit besteht darin, Leistungen der Natur (ökosystemare Prozesse, Naturkapital) von Leistungen des Menschen (Produktionsmittel, technologische Prozesse, Humankapital) methodisch sauber zu trennen.


Ökosystemleistungen

Für die dem Menschen dienlichen Leistungen der Natur hat sich der Begriff Ökosystemleistungen etabliert (Grunewald & Bastian 2013, 2018). Auf der Basis des entsprechenden Konzepts sollen ökologische Leistungen (Gratis-Naturkräfte) besser in Entscheidungsprozessen berücksichtigt und eine nachhaltige Landnutzung gewährleistet werden. ÖSL werden grundsätzlich durch den gesellschaftlichen Blick auf ökosystemare, biophysische Prozesse und Funktionen definiert und schließen die Nachfrage (Nutznießer) ein. Der anthropozentrische – wenn auch nicht ausschließlich ökonomische – Fokus unterscheidet sie bspw. von den wertneutral („Ökologie wertet nicht“)1 zu erfassenden Landschaftsfunktionen. Zudem wird bei letzteren nur die Angebotsseite betrachtet.


Ressourcen

Der Ressourcen-Begriff umfasst im engeren Sinne Rohstoffe und Energieträger, im weiteren Sinne auch die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen, wie Luft, Wasser, Boden, Flora, Fauna und die Wechselwirkungen untereinander. Letztere entsprechen den (Umwelt‑)Schutzgütern des Naturschutzes nach §§ 1 und 10 BNatSchG (2009). Natürliche Ressourcen werden in erneuerbare und nicht-erneuerbare eingeteilt. Auch hier liegt eine Abgrenzung zum ÖSL-Konzept vor, das i.d.R. nur erneuerbare Ressourcen thematisiert (MEA 2005; Grunewald & Bastian 2013).