Wertschätzung von Biodiversität

Zur Modernisierung der Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland


Glossar

Gemeinsames Begriffsverständnis - Biodiversität

Biodiversität – die Vielfalt von Arten, Ökosystemen oder Lebensräumen sowie die genetische Vielfalt – stellt eine wichtige Grundlage für Ökosystemleistungen dar. IÖR/BfN arbeiten bspw. derzeit an einem Accounting-Ansatz zur ÖSL „Appreciation of ecosystems and species services” (Wertschätzung von Ökosystemen und Arten / Existenzwerte). In der deutschen Rechts- und Planungspraxis ist insbesondere der Biotopbegriff maßgeblich (§ 30 BNatSchG „Gesetzlich geschützte Biotope“), teils werden die Begriffe Ökosystem, Biotop und Habitat aber auch synonym verwendet.

Sinn des ÖSL-Konzeptes ist es, ökologische Leistungen (Gratis-Naturkräfte) besser in Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen und insbesondere eine nachhaltige Landnutzung zu gewährleisten, um der Überbeanspruchung und Degradation der natürlichen Lebensbedingungen entgegenzuwirken. Die Attraktivität des integrativen Konzeptes fußt auf seinem inter- und transdisziplinären Charakter sowie auf der Verbindung von ökologischen und sozioökonomischen Ansätzen.

ÖSL werden häufig – entsprechend den drei Kategorien der Nachhaltigkeit - in Versorgungsleistungen (wie Bereitstellung von Holz oder Feldfrüchten), Regulationsleistungen (z. B. Klimaregulation durch Kohlenstoffspeicherung in Mooren und Wäldern) und (sozio-)kulturellen Dienstleistungen (z. B. Bildungs- und Erholungsmöglichkeiten in der Landschaft) unterteilt. Bestimmte Prozesse in Ökosystemen wie Bodenbildung oder Wasserkreislauf tragen zur Generierung von ÖSL bei, werden teilweise aber auch als eigenständige Leistungen betrachtet und als Basisleistungen oder unterstützende Leistungen bezeichnet (MEA 2005). WBGU (2020) unterteilt in regulative, materielle und nicht-materielle ÖSL.

Auf diesen Leistungen basieren lebensnotwendige Wohlfahrtswirkungen für den Menschen, wie Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln und sauberem Wasser oder Schutz vor Naturgefahren. Das heißt, die Leistungen und Güter der Ökosysteme erbringen einen wirtschaftlichen, materiellen, gesundheitlichen oder psychischen Nutzen. Während das bisherige SEEA-Rahmenwerk aus der Perspektive der Ökonomie heraus bilanziert und dann umweltbezogene Informationen zu natürlichen Ressourcen und Umweltbelastungen mit ökonomischen Akteuren bzw. Sektoren in Beziehung setzt, liegt der Fokus des SEEA-EEA bei Ökosystemen und deren Verknüpfung mit wirtschaftlichen und anderen menschlichen Aktivitäten. Natur wird nicht in Form einzelner unverknüpfter Bestände betrachtet (Böden, Holz, Fisch etc.), sondern in Form von Ökosystemen (Seen, Wälder, Stadtgebiete etc.). Dahinter steht das übergreifende Verständnis, dass das ökologische System und das ökonomische System als eine zusammengehörende Einheit zu betrachten sind (UN SEEA EEA 2014; Grunewald et al. 2019).

Bei einer vollständigen Umsetzung wären letztlich alle Aspekte eines Umwelt-Wirtschaft-Modells durchgehend zu erfassen: von der Einbeziehung der Natur als Bestand bzw. Kapital über die von ihr ausgehenden ÖSL sowie (mit ihnen) produzierte Güter bis hin zu Emissionen, Abfallströmen und der Degradierung oder auch der Neuschaffung von Naturkapital durch die Gesellschaft (Wiederaufforstung, Ausgleichsmaßnahmen nach dem Bundesnaturschutzgesetz etc.). Der Anspruch besteht darin, im Prinzip alle ökologischen Systeme als räumliche Messeinheiten zu erfassen (z. B. alle Flüsse, Seen und Grundwasservorkommen) und deren physischen und monetär bewerteten Austausch mit dem wirtschaftlichen System zu beschreiben (z. B. Wassermenge und -qualität, Abwässer, Erholungsnutzung, Trinkwasserentnahme, Aufbereitungskosten).

Im Accounting werden nur Teilaspekte von Biodiversität oder ÖSL über Proxy-Variablen erfasst (z.B. die Ausdehnung eines Waldökosystems als Indikator für die Bereitstellung von Kohlenstoffspeicherung). Die direkte Messung von Biodiversität und ÖSL ist oft nur in Einzelfällen möglich. Daher kann ein Accounting von Biodiversität/ÖSL immer nur Teilaspekte und einen Ausschnitt von Biodiversität und dem Beitrag von Natur zum Wohlergehen des Menschen erfassen.


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